Rückblick auf den
Deutschen Stiftungstag 2017

Rückblick auf den Deutschen Stiftungstag 2017
Rückblick auf den Deutschen Stiftungstag 2017

Bildung machen

Immer wieder im Mai trifft sich die deutsche Stiftungslandschaft auf Europas größtem Stiftungstreffen, dem Deutschen Stiftungstag. In diesem durfte sich Osnabrück damit schmücken, Austragungsort der Veranstaltung zu sein, etwa 1.600 Besucher folgten dem Ruf des Bundesverbands Deutscher Stiftungen. Thematisch stand Bildung im Blickpunkt, aus zwei Blickwinkeln heraus. Von Tobias Karow

Bildung ist gemeinhin der Schlüssel zu vielem, wenn nicht zu allem. Wer Vorträge zum Thema Transformation einer Gesellschaft hört, der fühlt sich regelrecht dumm, ist man doch selbst dem Wachstumsmantra verfallen – obwohl das Ludwig Erhard’sche Wohlstand für alle selbst davon ausgeht, dass es eine Zeit nach dem Wachstum geben wird und wir nicht zwingend immerwährendes Wachstum brauchen, um in Wohlstand zu leben. Dennoch heißt es allerorten, dass unsere Volkswirtschaften Wachstum brauchen, um alle ihre Aufgaben zu lösen, so auch die aktuellen beispielsweise rund um die Flüchtlingsströme, die sich weltweit gerade erst in Bewegung gesetzt haben. Bildung soll der Schlüssel sein, zu verstehen, warum diese Menschen sich in Bewegung gesetzt haben, gleichzeitig ist Bildung der Schlüssel, dass sie sich hierzulande integrieren. Hier wird sicherlich ein Wahres Wort kaum mehr gelassen ausgesprochen, aber in diesem Kontext haben Stiftungen eine immer wichtigere Rolle übernommen, beziehungsweise die Menschen, die dahinter stehen.

Sternstunde der Zivilgesellschaft
War es nicht eine Sternstunde der Demokratie bzw. der Zivilgesellschaft, die die Menschen an die Bahnhöfe kommen und die Neuankömmlinge versorgen ließ? War das nicht ein starkes Zeichen einer handlungsfähigen und gebildeten Zivilgesellschaft, dass diese Hilfe so unbürokratisch anlief und Tausende von Flüchtlingen aufgenommen werden konnten? Ja, genau das war es, und umso wichtiger ist es, dass die Zivilgesellschaft angeführt von den rund 22.000 Stiftungen im Land diesen Faden weiterspinnen und einen Diskurs führen, wie sich diese zivilgesellschaftliche Kraft hegen und pflegen und stärken lässt. Da Bildung unter anderem hierbei einen enormen Beitrag leistet, wir alle über eine Bildungsrevolution sprechen, und Stiftungen beim Thema Bildung ohnehin vordenkerische Akteure sind, passte Bildung als Leitthema hervorragend zum diesjährigen Stiftungstag. Das Programmangebot war vielfältig und erfüllte die Erwartungen, es zeigte sich, wie viele spannende Ansätze Stiftungen im Bildungsbereich verfolgen.

Ein Beispiel. In einem Panel diskutierten Stiftungsvertreter rund um den Begriff der Gamification und wie Computerspiele Bildungsaspekte abdecken können. Es zeigte sich, dass Gamer nicht unbedingt jung sein müssen und dass die Computerspiele Bildungsinhalte sehr geschickt in den Spielekontext einbinden können. Mit der Stiftung Deutsche Spielekultur gibt es auch einen gemeinnützigen Player, der sich dieses Themas angenommen hat. Es war interessant zu hören, dass die großen Spieleentwicklungen nicht hierzulande passieren, dass Computerspiele definitiv einen bildenden Effekt haben können und dass Gamer eben nicht durch die Bank „Egoshootern“ zugeneigt sind. Computerspiele könnten zudem beispielsweise in der Geschichtsbildung einen ganz erheblichen Beitrag leisten, denn sie entstauben den Geschichtsunterricht, machen Epochen erlebbar und geben dem Schüler Möglichkeiten, diese Zeit zu verstehen. Hier können Stiftungen, die beispielsweise einen Wissensfundus aus der Vergangenheit aufarbeiten, einen ganz erheblichen Beitrag zur inhaltlichen Verdichtung leisten.

Wo ist das Engagement-Ministerium?
Die Workshops zeigten sehr viele Beispiele, wo Stiftungen ihre Ideen in Projekte ummünzen und dort dann gesellschaftlicher Mehrwert entsteht. Andererseits scheint auch der Stiftungssektor selbst in einer Phase angelangt, wo er sich hinterfragen muss, ob er sich ausreichend vorbereitet und präpariert hat, auf das was kommt. Rund um den Themenkomplex Wirkung waren diesbezüglich Fragen ganz deutlich an verschiedenen Stellen wahrzunehmen. Beispielsweise müsse der Stiftungssektor seine „systemische Intransparenz“ überwinden, sein „Handeln über Relevanz legitimieren“ und „intersektoraler agieren“. Vorträge und Diskussionen machten deutlich, dass sich der Dritte Sektor nicht im Kleinklein verlieren dürfe und stattdessen darauf einwirken müsste, dass die Politik ein stärkeres Augenmerk auf die Stärkung der Zivilgesellschaft legt. „Warum gibt es zum Beispiel kein Engagement-Ministerium?“, fragte Andreas Rickert, Vorstand der phineo gAG, während eines Vortrags – und das völlig zu Recht.

Spürbar war auf dem Stiftungstag auch, dass es keine rechte Klarheit bei der Vermögensanlage gibt und die Stiftungsentscheider hier teilweise nicht ausreichend ausgebildet sind. Mittlerweile ist der Niedrigzins zwar in den Stiftungen angekommen, das scharfe Schwert des Negativzinses jedoch macht vielen Stiftungslenkern schlagartig klar, dass sie handeln müssen. Dafür brauchen sie ein solides Fundament an Wissen und Können, um dem Spannungsfeld aus finanzieller Repression einerseits und hochkomplexem Kapitalmarktumfeld andererseits Herr zu werden und entscheidungsfähig zu sein. Dies ist umso wichtiger, als dass jede Entscheidung heute unter größerer Unsicherheit als vielleicht noch vor zehn oder 20 Jahren getroffen wird. Wäre das Anlageknowhow in den Stiftungen mit der Komplexität an den Kapitalmärkten mitgewachsen, wäre hier strukturiert in die Weiterbildung der Stiftungsverantwortlichen investiert worden, das Problem wäre keines, denn dann würden Stiftungen heute eben ihre stillen Reserven aus den guten Jahren etwas abschmelzen. Nur sind diese eben nicht da, weshalb die Ausgabenseite eng an den Einnahmen aus den Zinsen hängt. Hier müssten Stiftungen nachziehen, sich selbst einer kleinen Bildungskur unterziehen. Jedenfalls war zu spüren, dass der Niedrigzins den Entscheidern zusetzt und die Informationsangebote scheinbar nicht wie gewünscht verfangen.

Fazit
Osnabrück war eine Reise wert, nicht nur wegen der schönen Fußpassagen, die zwischen den einzelnen Veranstaltungsorten zu bewältigen waren. Es wurde wieder klar, dass die Stiftungslandschaft in Deutschland von steigender Bedeutung ist, dass dies aber einhergehen muss mit einem relevanten Selbst sowie einer professionelleren Praxis. Stiftungen brauchen diesen Zweiklang, müssen ihre Bedürfnisse danach formulieren, um weiter zivilgesellschaftlicher Motor etwa in einer der Kerndisziplinen der Gesellschaft, der Bildung, zu sein. Stiftungen sind Ideengeber, und Deutschland ein Land der Ideen. Aber was ist, wenn es für die Umsetzung dieser Ideen mangels fachlicher Präparation an Kapital fehlt? Eben.

Hinweis: Rödl & Partner hat in diesem Jahr den MünchnerStiftungsFrühling als Partner begleitet (den Nachbericht finden Sie hier) und wird diese Rolle auch beim Forum Philanthropie im Rahmen der funds excellence am 20.06.2017 übernehmen. Stiftungen aus ganz Deutschland sind zu dieser Veranstaltung eingeladen, in vier Panels werden nach einem fachlichen Impuls die Themen Fundraising, Reform Stiftungsrechts, Nachhaltige Kapitalanlagen und Mission Investing aus Stiftungssicht diskutiert. Weitere Informationen finden Sie in Kürze hier oder parallel unter www.fundsexcellence.de.