Interview mit Peter Rieth

Peter Rieth
Auf einen Cappuccino mit...

„Müssen schauen, die Draw-Downs in engen Grenzen zu halten“

Wenn Peter Rieth erzählt, dass er mehr als 1 Mrd. EUR an Vermögen für Kunden bei ODDO BHF verwaltet, dann spürt man sofort, dass er sich der damit verbundenen Verantwortung bewusst ist. Im Interview gibt er einen Einblick in seine tägliche Praxis und erläutert den Umgang mit dem Flash-Crash im Februar 2018. Für Stiftungen hat er einen Rat parat: Den Ausschüttungsstrauß ruhig etwas breiter fassen.

Können Sie uns mit einfachen Worten noch einmal beschreiben, was den ODDO BHF Total Return FT zum stiftungsgeeigneten Fonds macht?
Peter Rieth: Das Fondskonzept ist eigentlich aufgelegt worden für sehr konservative Anleger, die höchstens in Spareinlagen und Tagesgeld investiert waren und bisher noch keine Erfahrungen mit dem Kapitalmarkt gemacht haben. Das Ziel war und ist es, eine Rendite ähnlich wie die genannten Anlagekategorien zu erzielen, mit einem Schnaps Rendite obendrauf. Schwerpunktmäßig wird also in Renten investiert, ganz dosiert in Aktien. Ohne Aktien lässt sich keine auskömmliche Rendite mehr erzielen. Das Ziel für die Rendite ist das Geldmarktzinsniveau plus 200 Basispunkte. Gleichzeitig sollen Verluste auf Kalenderjahressicht vermieden werden. Gelungen ist uns das seit 2007 ganz gut.

Das wäre jetzt natürlich die nächste Frage gewesen.
Rieth: Also bei der Rendite haben wir das Ziel – Geldmarktverzinsung plus 2% - seit 2007 zu 100% erreicht, beim Verlust auf Kalenderjahressicht haben wir 2008 und 2011 zweimal die Zielmarke leicht gerissen, mit -3,6% bzw. -0,3% im Jahr 2011. Ausschüttungsseitig liegen wir dazu bei rund einem halben Prozent pro Jahr derzeit, die letzte Ausschüttung waren 31 Cent je Anteil, die am 16. Februar ausgezahlt wurde. Steigen die Zinsen, kann es wieder einmal mehr werden, aber die Zinspolitik gibt einfach für unser Konzept nicht mehr her. Perspektivisch kommt hier aber wieder mehr Momentum hinein.

Als konservativer Anleger kann man damit durchaus leben. Gehören Stiftungen auch zu dieser Kategorie?
Rieth: Ja, absolut, auch Stiftungen, Verbände oder auch Unternehmen haben verstanden, dass sie neue Wege gehen müssen. Stiftungen, die beispielsweise keine eigene Kapitalmarktexpertise aufgebaut haben, wissen das konservative Profil des Fonds zu schätzen, denn sie können sich mit den Zielen absolut identifizieren. Hier setzen wir auch den Transparenzbericht ein. Es gibt eben Anleger, die durchaus auch ängstlich sind, nicht genau wissen, wie sie am Kapitalmarkt agieren sollen. Transparenz hilft an solch einem Punkt, denn der Anleger weiß dann ganz genau, was er bekommt, und eben nicht nur ungefähr.

Würden Sie sagen, dass das Umfeld für diese Anleger anspruchsvoll bleibt und sie besser fahren, wenn sie ihre Kapitalanlage delegieren?
Rieth: Wir sehen oft, dass viele Kardinalfehler gemacht werden in der Kapitalanlage, und heutzutage tun diese deutlich mehr weh als vielleicht zu Zeiten mit normalen Zinsniveaus. Es ist heute notwendig, die Zeichen der Zeit frühzeitig zu erkennen und professionell auf Marktveränderungen zu reagieren. Wer sich selbst dahingehend einschätzt, dass er die notwendige Expertise nicht mitbringt, der sollte über die Delegation der Anlageentscheidungen bzw. der Kapitalanlage nachdenken. Ein Fehler ist es zum Beispiel, nur auf den Kupon einer Anleihe zu schauen, und nicht auf das Risiko. Wenn neue Anleihen emittiert werden, dann werden sie sehr oft nach der Höhe des Kupons sortiert, und nicht nach dem Risiko. In Deutschland gab es ja mal das Phänomen der Mittelstandsanleihe, da waren klassischerweise viele nicht so erfahrene Anleger investiert. Viele Geschäftsmodelle waren aber nicht werthaltig genug, um den genannten Kupon erwirtschaften zu können. Auf der Aktienseite wird dagegen oft der Fehler gemacht, zum falschen Zeitpunkt einzusteigen. Häufig wird am Aktienmarkt zugeschlagen, wenn alle Welt überzeugt ist, es ginge weiter aufwärts. Für uns ist derlei eher ein Warnsignal, aber unerfahrene oder weniger professionelle Anleger neigen dazu, sich am Aktienmarkt von der Masse anstecken zu lassen.

Contrarian sein ist nun mal schwer.
Rieth: Sicher richtig, aber es ist doch so, dass im günstigen Einkauf der Erfolg liegt. Und günstig einkaufen kann man an der Börse, wenn die Kurse unten sind, meist ist das dann der Fall, wenn die Stimmung schlecht ist. Im Übrigen: Was bei semi-professionellen Anlegern auch zu sehen ist, ist eine gewisse Aversion gegenüber Derivaten, also Absicherungsinstrumenten. Wir nutzen das dagegen sehr gezielt, um Kursniveaus abzusichern. Ein Beispiel aus der aktuellen Praxis: Schon im Januar zeichnete es sich ab, dass die Märkte reif für eine Korrektur sind, entsprechend erwarben wir Put-Optionen. Rechtzeitig, könnte ich jetzt sagen, aber wir wissen so etwas natürlich auch nicht im Vorhinein. Als dann die Volatilität von 11 auf 30% im Zuge des Flash-Crashs emporschnellte, ging die Rechnung auf und wir konnten die Verluste relativ gut kompensieren. Aber wir mussten diese Absicherung auch in den Kursrückgang hinein wieder schließen, also sehr aktiv und gut getimt agieren. Als Stiftungsvorstand, der ab und an mal auf den Bildschirm schaut, sind solche Tage kaum mehr zu handhaben. Aber diese Tage kommen heutzutage öfter vor.

Je länger das Zinsumfeld also so oder so ähnlich bleibt wie bisher, werden Optionsgeschäfte also eine wesentliche Ertragsquelle des Fonds bleiben?
Rieth: Das würde ich schon sagen. Man muss vielleicht für den Hintergrund wissen, dass ich in meinem ersten Börsenleben Optionshändler war, und diese Erfahrung nutze ich natürlich im Fonds. Ein anderer Punkt ist natürlich, dass wir für den Anleihebereich unsere Strategie schon deutlich anders aufsetzen als die Konkurrenz. Wir sind heute deutlich opportunistischer in der Auswahl unserer Anleihen, setzen also nicht mehr darauf, mit einem Langfristinvestment den gewünschten Ertrag zu erwirtschaften. Wir kaufen kurz laufende Anleihen und versuchen, einen kleinen Schnaps absolut zu verdienen. Mehr ist im Moment auf der Anleiheseite einfach nicht mehr drin. Gefragt sind bei mir daher gute Neuemissionen, bei denen wir dann in den Nachkommastellen nach Mehrwert suchen. Wir bekommen dann meist einen gewissen Teil unserer veranschlagten Zeichnungssumme zugeteilt und verdienen vielleicht ein halbes oder ein dreiviertel Prozent aus dem Kursanstieg heraus. Früher wären wir für ein halbes Prozent nicht aufgestanden, heute müssen wir das.

Klingt so, als hätte sich das Management auf der Rentenseite grundlegend geändert.
Rieth: In gewisser Weise stimmt das auch. Beispielsweise nutzen wir inzwischen auch Opportunitäten aus Rating-Veränderungen heraus. Wir dürfen ja auch Anleihen außerhalb des Investment-Grade-Ratings kaufen und tun das auch, sobald sich hier Gelegenheiten bieten. So etwas kommt ab und an, hierbei ergeben sich höhere Renditechancen. Es regnet dann Brot vom Himmel, wie man so schön sagt.

Das Opportunistische ist sicher ein Alleinstellungsmerkmal, trägt aber dazu bei, die Volatilitäten im Griff zu haben.
Rieth: Naja, ausgehend von dem was ich am Anfang sagte, müssen wir schauen, die Draw-Downs, also die Rückschläge, in engen Grenzen zu halten. Konservative Anleger mögen so etwas nicht.

Auch Semi-professionelle institutionelle Anleger fangen ja bei großen Rücksetzern zu schwitzen an.
Rieth: Wenn ich die Draw-Downs im Griff habe, habe ich das Risikomanagement im Griff. Entsprechend zeigt sich hier für mich auch sofort an, ob wir richtig gehandelt haben oder nicht. Wir fokussieren uns auf die Risiken bzw. darauf, diese so gering wie möglich zu halten. Wenn ich es in Zeit ausdrücke, dann wenden wir dreiviertel der Zeit für die Analyse der Risiken auf, und nur ein Viertel darauf zu überlegen, wo wir Geld verdienen könnten. Geld verdienen wir eher auf der Aktienseite, das ist unsere Kernertragsseite. Uns gelingt es, relativ viele Unternehmen zu selektieren, die sich stabil entwickeln, vom Geschäft her und damit dann auch von der Aktie her. Die Selektion fußt dabei auf stabil wachsenden Unternehmen, die relativ konjunkturunabhängig sind und über ein Alleinstellungsmerkmal am Markt verfügen. Diese Unternehmen wiederum dürfen nicht zu teuer sein.

Und da finden Sie aktuell noch welche?
Rieth: Momentan finden wir viele solcher Unternehmen vor allem im IT-Bereich, der derzeit mit 28% gewichtet ist. Auch das hebt uns von anderen Mischfonds ab. Das Wachstum dort ist am strukturellsten, was von der Börse goutiert wird. Dazu sind diese Unternehmen sehr solvent, haben in der Regel keine Schulden und generieren weitaus mehr Cash als viele andere Firmen. Der Cashflow ist für uns die zentrale Größe bei der Aktienbewertung. Studien belegen, dass Unternehmen, die im Vergleich zum Börsenwert viel Cashflow generieren, auch besser abschneiden als diejenigen, die dies nicht schaffen. Und der Cashflow ist bei den IT-Werten mit am besten. Zweiter Schwerpunkt sind Konsumwerte, aber die laufen derzeit nur unterdurchschnittlich. Kaufen würde ich diese derzeit aber nicht, da defensive Titel dann wieder interessant werden, wenn es an den Märkten holpriger wird.

Aber Technologieaktien sind auch gehypt derzeit, die FANG-Aktien (Facebook, Amazon, Netflix, Google) sind nun wirklich in jedem Depot drin. Ist es da nicht gefährlich, diese auch zu halten?
Rieth: Wenn eine Korrektur kommt, dann muss man wissen, wie es nach der Korrektur weitergeht. Technologieaktien sind jüngst durchaus mal richtig zusammengesackt, aber sie haben sich wieder gut berappelt. Das zeigt uns, dass diese Werte weiter die Zugpferde der Börsenentwicklung sein werden. Daher bleiben wir hier positiv. Was wir aber auch sehen, ist, dass zinslastige Titel, also solche die hohe Schulden haben, nicht mehr so recht mit der Entwicklung mitgehen können und sich damit vielleicht ein Favoritenwechsel abzeichnet. Jene Aktien, die also als Bond-Proxys, als Stellvertreter für Anleihen, gehandelt wurden, zünden nicht mehr, da die Zinsen steigen. Das müssen Anleger im Auge behalten.

Das wird aber einige auf dem falschen Fuß erwischen.
Rieth: Kann durchaus sein. Trotz einiger markanter Kursrückgänge bei den Defensivtiteln sind die Bewertungen immer noch recht hoch, und das für ein recht überschaubares Wachstum. Warum soll ich etwas kaufen, das teuer ist und kaum Wachstum liefert? Diese Frage stelle ich mir jetzt. Teuer, jedoch mit Wachstum, das kann jetzt vielleicht funktionieren.

Was könnten denn insgesamt betrachtet das Risiko sein, das am ehesten schlagend wird?
Rieth: Das größte Risiko sind jetzt die Zinsen. In den USA liegen wir bei den 30-jährigen schon fast wieder bei 3%, Goldman Sachs hat vor ein paar Jahren die 3%-Marke als psychologisch relevant bezeichnet. Ab 3% könnten Zinsen wieder als hoch wahrgenommen werden und den Aktienmarkt belasten. In meinen Augen sehen wir die 3%, und das Problem ist, dass die Zinsen dort recht schnell steigen. Wenn wir wieder 3% Rendite sehen, dann habe ich ja auch plötzlich wieder eine Alternative zur Aktie bzw. zu dividendenstarken Titeln. Der Rückenwind für den Aktienmarkt könnte sich neutralisieren oder gar in Gegenwind ausarten. Wir fahren derzeit auf Sicht, es kann sein, dass wir auch rasch die Aktienquote weiter senken. Die Korrektur könnte in meinen Augen durchaus etwas robuster werden, da auch der Marktkonsens meint, dass es mit dem Schuss vor den Bug im Februar schon wieder vorbei ist.

So ist das mit dem Konsens, leider liegt er auch mal daneben. Haben Sie vielen Dank für den Blick in Ihren Maschinenraum.

Das Gespräch führte Tobias M. Karow.

Hinweis: Für den ODDO BHF Total Return FT wird seit 2015 quartalsweise ein Transparenzbericht erstellt. Sämtliche Transparenzberichte finden Sie im Transparenzberichtsarchiv.