Runder Tisch - Teil 2

Portfolio Institutionell Award 2018 - Gewinner Schmitz Stiftungen
Runder Tisch - Teil 2

„Tauscht Euch aus!“

Vorbildliche Kapitalanlage in einer Stiftung auszuzeichnen, ist seit Jahren schon das Anliegen des Portfolio Awards in der Kategorie Beste Stiftung. Rödl & Partner hat für diese Award-Kategorie den Jury-Vorsitz inne und prämiert in jedem Jahr aus dem Kreis der nominierten Stiftungen den Gewinner. In diesem Jahr wurden die Schmitz-Stiftungen prämiert. Gemeinsam mit deren Verantwortlichen und Vertretern anderer nominierter Stiftungen diskutierte Rödl & Partner in Kooperation mit dem Portfolio Verlag, was in der Kapitalanlage von Stiftungen heute zum Vorbild taugt. Lesen Sie hier Teil 2 (zurück zu Teil 1).

Dies scheint umso wichtiger zu werden, als dass Kapitalerhalt, egal ob nominal oder real, zunehmend zur Herkulesaufgabe wird.

Sachs: Also nominaler Kapitalerhalt ist das, was Stiftungen in der Regel zufrieden stellt, für mich sollte es schon der reale Kapitalerhalt sein, den Stiftungen anstreben sollten. Aber ich gehe noch einen Schritt weiter. Realer Kapitalzuwachs, das ist doch die Basis, aus der künftig mehr Aktivität der Stiftung erwachsen kann, dahingehend sollten sich Stiftungen in meinen Augen viel mehr Gedanken machen. Kommt mir leider viel zu kurz im öffentlichen Diskurs, so als sei dies für Stiftungen geradezu verwerflich. Realer Kapitalerhalt hat viel mit Sachwerten zu tun, also auch mit Unternehmensanteilen etwa in Form der Aktie. Und die scheuen Stiftungen als Anlage immer noch zu oft, aus welchen Gründen auch immer.
Wieser: Das würde ich teilen, ich habe nur in den seltensten Fällen in Stiftungen eine solche Diskussion erlebt. Wobei ich hier ein leider in Klammern hinzufügen möchte. Es geht um gute Rendite, um den Erhalt, aber schon über die Instrumente oder die Kosten wird kaum gesprochen.
Juds: Wir machen es in der Stiftung Behindertensport so, dass wir das Grundkapital der Stiftung aus dem Jahr 2005 mit dem harmonisierten Verbraucherpreisindex indexiert haben. Wir wissen damit, wie hoch das Stiftungskapital kaufkraftbereinigt sein müsste und damit auch, welches Volumen es zu erhalten gilt. Das Vermögen muss real erhalten werden, das ist ein hohes Gut für uns, und es müssen auch die Erträge ausreichend auskömmlich sein. Ohne Aktien geht das nicht, nur mit Anleihen schmelzen Ihnen heute die ordentlichen Erträge einfach weg.
George: Eine Sache wäre mir noch wichtig. Was mich umtreibt ist die Frage, ob es sinnvoll ist, bei einer auf die Ewigkeit angelegten Institution den Kapitalerhalt stets zum 31.12. eines jeden Jahres nachweisen zu müssen. In meinen Augen wäre ein rollierender Fünf- oder Zehnjahreszeitraum viel sinnvoller. Stiftungsaufsichten sind in dem Punkt leider nicht so flexibel. Häufig wird zudem, wenn nicht anders in der Satzung vorgesehen, automatisch vom realen Kapitalerhalt ausgegangen. Wenn ich aber so sicher wie die Aufsichten sich das wünschen investiere, dann bekomme ich den realen Kapitalerhalt nicht hin. Das geht einfach nicht, insbesondere nicht in jedem Kalenderjahr.
Sachs: Gibt es denn eine Vorgabe hinsichtlich der Schwankungen seitens der Stiftungsaufsichten? Hat da jemand in der Runde Erfahrungswerte?.
George: Also ich hatte hierzu einmal im Rahmen einer Veranstaltung einen Satz der Hamburger Stiftungsaufsicht aufgeschnappt. Dort wurde gesagt, dass im Falle eines Verlusts eben mal auf die Ausschüttung verzichtet werden müsste. Kapitalerhalt wurde als oberste Maxime angegeben. Auf die Frage, wie es denn dann um die Gemeinnützigkeit stünde, erwiderte die Person, dies sei ein Steuerproblem. In diesem Spannungsfeld sollen Stiftungsvorstände nun agieren? Wem gehorcht der Vorstand: der Aufsicht oder dem Finanzamt? Die Politik muss diesen für Stiftungen kaum auflösbaren Zielkonflikt lösen, wenn sie es ernst meint damit, dass Gemeinwohl und bürgerschaftliches Engagement hierzulande extrem wichtig sind, auch als identitätsstiftendes Element. Mit Blick auf die Ewigkeit wird es in meinen Augen ohne Sachwerte, also Aktien und Immobilien, nicht gehen. Auch wenn diese Anlageformen Wertschwankungen unterliegen.
Juds: Stiftungsvorstände haben mitunter Angst davor, zur Verantwortung gezogen zu werden. Man muss ihnen die Verlustangst nehmen. Stiftungen müssen langfristig anlegen, Entscheidungen dokumentieren, oder aber gezielt delegieren.

Aber die Diskussion um die Schwankung ist ja eine, die immer nur bei der Aktie geführt wird. Anleihen können ja auch schwanken, oder nicht?

Seewald: Nicht nur schwanken – selbst im Falle von europäischen Staatsanleihen kann es auch zu echten Kapitalverlusten kommen, wie Griechenland gezeigt hat.
Sachs: Auch Immobilien können schwanken, wir merken es nur nicht, da der Preis nicht täglich in der Zeitung steht.
Wieser: Um eine gesunde Diversifikation kommt man insgesamt nicht drumrum. Nur heißt das nicht, in drei deutsche Autoaktien zu investieren. Diversifikation muss heute weltweit interpretiert werden.
George: Diversifikation ist aus meiner Sicht der einzige Weg, langfristig erfolgreich Kapital zu erhalten und aufzubauen. Branchen, Anlageklassen, Regionen, darum geht es. Es gibt keinen Grund, der gegen eine global ausgerichtete Vermögensaufteilung spricht. Aber genau das beißt sich wieder mit vielen Anlagerichtlinien von Stiftungen, wo „sicher“ und „in Euroland“ gern genommene Formulierungen sind. Perspektivisch kommt man damit nicht mehr weit, insbesondere die Absicherung des Stiftungszwecks wird auf diese Weise schwierig.
Sachs: Für mich führt das ganz schnell wieder zum Punkt der Delegation, qua Fonds. Wie sollen Branchen, Regionen und Zyklen beurteilt werden von jemandem, der das nicht täglich und nur nebenbei macht? Gar nicht oder kaum, würde ich sagen. Entscheidungen dazu sind von einem ehrenamtlichen Stiftungsvorstand in meinen Augen nicht zu leisten.

Ist Investieren statt spekulieren auch so ein Gebot, an dem sich Stiftungen orientieren könnten?

Sachs: Hecheln Stiftungen irgendwelchen kurzfristigen Moden hinterher, wird das kaum zum Ziel führen. Das langfristige Element ist das entscheidende bei der Kapitalanlage, womit wir beim Investieren wären.
Juds: Vor diesem Schwenk stehen in meinen Augen viele Stiftungen. Die Aktienseite zu öffnen, und neben ertragsstarken globalen Standardtiteln auch Small- und MidCaps hinzuzunehmen und auch in den Schwellenländermärkten zu investieren. Dort spielt sich künftig die Prosperität ab. Entsprechend kann es sehr sinnvoll sein, Unternehmen von dort gezielt ins Portfolio einzubauen.
Wieser: Als wir die Anlagerichtlinien damals erstellt haben, haben wir diese unseren begleitenden Banken zur Verfügung gestellt. Diese wiederum nannten dann doch noch einige interessante Punkte. Beispielsweise ob eine Rating-Vorgabe bei Rentenfondsinvestments auf den Fonds oder auf die Einzeltitel bezogen ist. Wenn also solche Schwenks anstehen, kann solch ein Schritt sinnvoll sein.
George: Erfahrungsaustausch kann für Stiftungen sehr wertvoll sein, das Rad muss nicht immer von jedem neu erfunden werden.

Wie verhält es sich denn überhaupt mit der Anlagerichtlinie, warum haben immer noch ein Drittel der Stiftungen keine Anlagerichtlinie?

Wieser: Also für mich scheitern Anlagerichtlinien zu oft an Details. Der Austausch mit anderen kann da helfen, auch der Austausch mit der Bank. Anlagerichtlinien, selbst wenn sie einfach gefasst sind, sind auf jeden Fall besser als keine Anlagerichtlinie.
Sachs: Also die Funktion der Verabschiedung der Anlagerichtlinie ist ja, sich selbst zu fragen, was man will und was man dürfen soll. Wenn darüber Klarheit besteht, dann handeln die Stiftungsorgane auch verantwortungsbewusst, denn Entscheidungen werden dann im Rahmen der Anlagerichtlinie getroffen. Haftungsangst ist dann nahezu unbegründet.
Juds: Uns hat es sehr geholfen, dass wir sie als Leitlinie gesehen haben. Wir haben uns auf eine Anlagerichtlinie eingelassen und haben damit unsere Erfahrungen gesammelt. Auf dieser Basis wurde sie dann verändert, angepasst und auf den heute aktuellen Stand gebracht. Denn die Anlagerichtlinie ist ein gutes Reflexionsinstrument für die Stiftungsvorstände und ermöglicht eben genau den Soll-Ist-Vergleich. Immer alles perfekt aufzusetzen, das geht sowieso nicht und engt auch sofort wieder ein. Eine Anlagerichtlinie muss atmen.
Seewald: Wir sind damit gestartet, dass wir einfach erst einmal unser bisheriges historisches Anlageverhalten erfasst und interpretiert haben, darauf aufbauend haben wir viel über die eigene Risikodefinition nachgedacht und auch diese Gedanken zu Papier gebracht.
George: Vom Bundesverband gibt es ja eine Umfrage zur Anlagerichtlinie. Demnach haben 50% der gemeinnützigen Stiftungen eine, von denen glaubt aber wiederum nur die Hälfte, dass diese derzeit überhaupt umsetzbar sind. Das finde ich ernüchternd. Ich gebe zudem immer den Tipp, auf den Internetseiten von anderen Stiftungen zu schauen, wie dort die Anlagerichtlinie umgesetzt ist. Eine Blaupause gibt es hier nicht, aber viele Vorlagen, wie es andere in der Praxis machen.

Binden wir das Ganze noch einmal ab: Was nehmen Sie aus der Diskussion mit?

Wieser: Es ist erstaunlich wie einig wir uns sind. Für mich interessant war der Aspekt der Indexierung des Stiftungsvermögens und auch beim Thema Anlagerichtlinie die Idee, es einfach im Austausch mit anderen zu machen. Ganz salopp gesagt: Lieber gut kopiert als schlecht selber gemacht.
Sachs: Für mich ist es erfreulich, dass sich hier viele Gleichgesinnte getroffen haben. Die Sachwertanlage ist in meinen Augen für Stiftungen unabdingbar, aber die Kompetenz in vielen Stiftungen ist den Anforderungen seitens der Kapitalanlage gewachsen. Deshalb kommen sie nicht umhin, diese Aufgabe zu delegieren – an eine Vermögensverwaltung oder eben in Fonds.
Juds: Bei den Stiftungen fehlen die Best Practice-Beispiele, denen man folgen kann. Den Hinweis, dass man auf anderen Internetseiten nach Anlagerichtlinien suchen sollte, fand ich sehr wertvoll. Orientierung, gerade für die kleineren Stiftungen, ist das, was an vielen Stellen fehlt. Was mir einleuchtet ist, dass kleine Stiftungen nicht mit den Vorgaben der Großen ihre Probleme lösen können.
George: Stiftungsvorstände sollten den Mut haben, zu sagen, Schuster bleib‘ bei Deinen Leisten, und das ist in der Regel die Zweckverwirklichung. Kapitalanlage sollte dementsprechend delegiert werden. Wichtig wäre für mich zudem ein Signal an die Politik, die Stiftungsvorstände mit den Problemen nicht alleine zu lassen. Das Diktat des Kapitalerhalts sollte aufgeweicht werden, und auch der Angst, dass ein temporärer Wertverzehr des Stiftungsvermögens sofort zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit führt, sollte begegnet werden. Wenn Stiftungsverantwortliche diese Sorgen los wären, würden sie auch mutiger agieren.
Seewald: Die Niedrigzinsphase hat viel Bewegung in die Kapitalanlage von Stiftungen gebracht, erst durch diesen marktseitigen Druck ist die längst überfällige Diskussion um Delegation, Professionalisierung und Strukturen in der Vermögensanlage von Stiftungen begonnen worden. Ich glaube unsere Diskussion hat gezeigt, dass an einer sinnvollen Diversifikation mit einer Aktienquote kein Weg vorbei führt.

Dann danke ich Ihnen für die offene und sehr konstruktive Diskussion und hoffe natürlich, dass wir hier und da einen vertiefenden Dialog anregen können.

Durch die Diskussion führte Tobias M. Karow, Beisitzer seitens des Portfolio Verlages waren Verena Wenzelis und Tobias Bürger.
Die Teilnehmer am Runden Tisch im Überblick:
Frank Wieser, Geschäftsführer pmp Vermögensmanagement und verantwortlich für die Kapitalanlage der Schmitz-Stiftungen, Anlagebeirat im Haus des Stiftens

Wolfgang Juds, Inhaber Credo Vermögensmanagement, an die das Vermögensmanagement der Stiftung Behindertensport Sachsen-Anhalt delegiert wurde
Stephan George, Geschäftsführer Deutsches Stiftungszentrum, zuständig für die Bereiche Vermögensmanagement, Steuern, Controlling, IT und Rechnungswesen
Reiner Sachs, stellvertretender Vorstandsvorsitzender Share Value Stiftung
Stefan Seewald, Geschäftsführer Oberfrankenstiftung

Hinweis: Weitere Informationen zu den Portfolio Awards sowie zu den Gewinnern – auch jenem in der Kategorie Beste Stiftung – sowie einer möglichen Nominierung finden Sie unter www.portfolio-institutionell-awards.de