Interview Rupert Graf Strachwitz

Rupert Graf Strachwitz
Interview

„Was Stiftungen machen, muss relevant sein“

Er gilt es einer der profundesten Kenner der deutschen und europäischen Zivilgesellschaft und Stiftungslandschaft und beweist mit dem Fokus der Modernisierung der Stiftungslandschaft erneut kritischen Weitblick. Rupert Graf Strachwitz, Vorstand der in Berlin arbeitenden, aber in München beheimateten Maecenata Stiftung führt dazu im Gespräch im Vorfeld des MünchnerStiftungsFrühlings aus, welche Rolle Stiftungen in der Gesellschaft spielen müssten und wo der Sektor vor den größten Herausforderungen steht.

transparenzbericht.com: Was macht für Sie den MünchnerStiftungsFrühling aus?
Rupert Graf Strachwitz: Für uns ist der MünchnerStiftungsFrühling eine wichtige Veranstaltung. Er hat gegenüber den anderen Stiftungsveranstaltungen den Vorteil, dass sich Menschen, die sich für Stiftungen interessieren, und Stiftungsverantwortliche kräftig durcheinander mischen - insbesondere durch die ersten beiden Tage, wo ja in der BMW-Welt eine Art Marktstand etabliert wurde.

transparenzbericht.com: Es ist interessant, dass Sie das sagen, denn dieser zentrale Auftakt wird auch durchaus kritisch gesehen.
Strachwitz: Nein, ich finde das wunderbar, für uns ist genau das ein Grund, uns als Maecenata Stiftung zu beteiligen. Wir bekommen dort Laufpublikum, das sich für uns interessiert. Wann kann man schon mal einfach so in eine Stiftung reinschauen? Es ist doch wichtig für Stiftungen, dass sie in Kontakt mit Menschen kommen, die sie vorher gar nicht auf dem Schirm hatten.

transparenzbericht.com: Muss es ein Ziel sein, den Stiftungsgedanken stärker in der breiten Bevölkerung zu verankern?
Strachwitz: Den Ausdruck ‚breite Bevölkerung‘ würden wir auf keinen Fall benutzen. Wir sprechen stattdessen von Bürgerinnen und Bürgern und sprechen hier jeden einzelnen an. Die „breite Masse“ impliziert, dass da alle irgendwie gleich sind, und einige Promis dann daraus heraus stechen. Dieser Sichtweise schließen wir uns aus Prinzip nicht an. Stattdessen ist es uns wichtig, die Beiträge von Stiftungen zu einer starken Zivilgesellschaft und zum gesellschaftlichen Wandel bei den Bürgern sichtbar zu machen. Sie müssen in die Öffentlichkeit getragen werden. Der MünchnerStiftungsFrühling folgt dieser Idee; jeder kann ja an den Marktständen beispielsweise in der BMW-Welt vorbeikommen und sich informieren.

transparenzbericht.com: Wo steht denn die Zivilgesellschaft aktuell?
Strachwitz: Die gegenwärtige politische Elite hat mit der Zivilgesellschaft wenig am Hut. Das ist insofern bedauerlich, als die Ideen und Vorstellungen der Zivilgesellschaft einfach nicht oder nur unzureichend gehört werden. Außerdem sind wir damit auf dem Weg zu einem selbst-referenziellen politischen System, und das kann nicht gut gehen. Wenn sich Politik abschottet, wenn sich Wissenschaft abschottet, wenn sich Wirtschaft abschottet und jeder sein eigenes Süppchen kocht, dann ist das für die Gesellschaft gefährlich. Stattdessen brauchen wir eine stärker partizipative Gesellschaft, in der das allgemeine Wohl von allen kreuz und quer erörtert, diskutiert und voran gebracht wird. Hierzu kann die Zivilgesellschaft ganz erheblich beitragen, was man bei wichtigen Themen in den vergangenen Jahrzehnten gesehen hat. Ohne Zivilgesellschaft hätte es keine Umweltbewegung gegeben, keine Frauenbewegung, keine Friedensbewegung, keinen Mauerfall. Insofern ist es zunehmend skurril, dass die politischen Würdenträger und auch die Medien die Zivilgesellschaft oft verwechseln mit Ehrenamtlichen in gestärkten Schürzen.

transparenzbericht.com: Woran machen Sie die Abschottung fest?
Strachwitz: Unter anderen an der unterschiedlichen Sprache, die von den einzelnen Gruppen gesprochen wird, aber auch an der klassischen Machtfrage. Die Politik hat in den vergangenen Jahren sehr viel Macht an die Wirtschaft abgeben müssen, und will jetzt nicht auch noch weitere Macht an die Zivilgesellschaft als dritter großer Arena abgeben.

transparenzbericht.com: Was sind denn in Ihren Augen vor diesem Hintergrund die größten Herausforderungen für die Stiftungslandschaft, um hier nicht zurückzufallen?
Strachwitz: In meinen Augen fällt die Stiftungslandschaft nicht zurück, das nehme ich anders wahr. Stiftungen nehmen an Bedeutung zu, im Konzert der anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen. Aber natürlich müssen Stiftungen heute auch viel mehr an sich arbeiten, das sehe ich als große Herausforderung. Allzuoft hat man beobachten müssen, dass Stiftungen sich selbst und anderen Stiftungen gerne auf die Schulter klopfen, dabei aber den Willen zur Selbstoptimierung vermissen lassen. Das gehört aber dazu, Stiftungen müssen sich an der eigenen Nase fassen. Auch muss das, was Stiftungen machen, eine gewisse Relevanz haben. Viele Stiftungen sind sehr relevant, andere müssen jedoch darüber nachdenken, ob ihr Programm und ihre Projekte noch in die Zeit passen oder ob man Projekte mal anders anpackt. Dafür bildet der MünchnerStiftungsFrühling auch eine wichtige Plattform. Wenn andere Stiftungen einen Stand machen und mit vielen Menschen ins Gespräch kommen, dann kann das inspirieren, sich selbst auch mal dahingehend zu öffnen.

transparenzbericht.com: Oder wenn Stiftungen sehen, wie andere Stiftungen arbeiten, dann dient das durchaus der Optimierung des eigenen Tuns.
Strachwitz: Das würde ich genauso sehen. Ich denke aber, da sind viele Stiftungen auf einem guten Weg; pauschale Kritik wäre hier nicht angebracht.

transparenzbericht.com: Bleiben wir mal bei der Optimierung. Wo müssen Stiftungen professioneller werden?
Strachwitz: Professionell, Professionalisierung? Das wird in meinen Augen häufig falsch verstanden, weil man dann automatisch an professionelle, also hauptamtliche Mitarbeiter denkt. Das ist natürlich nicht gemeint, sondern, dass auch ein ehrenamtlicher Stiftungsvorstand professionell arbeiten kann. In diesem Kontext ist für viele Stiftungsvorstände derzeit vor allem angesagt, wie der Stiftungszweck erfüllt werden kann, auch wenn die Renditen nicht mehr sprudeln wie früher. Der Renditeverfall setzt doch etlichen Stiftungen zu. Zudem sind in den vergangenen 40 Jahren viele Stiftungen dem Modell der Kapitalförderstiftung gefolgt, die sich aus Erträgen speist. Kommt jemand mit einem Antrag für ein Projekt, wird das dafür notwendige Kapital ausgereicht. Dieses Modell kommt nun an seine Grenzen. Stiftungen können sich daher auch als Unternehmung verstehen und selbst etwas anpacken. Ein dritter Aspekt ist die Frage, mit wem eine Stiftung zusammenarbeiten kann. Früher gab es eine Tendenz, staatliche Einrichtungen zu unterstützen. Inzwischen haben viele Stiftungen entdeckt, dass die anderen zivilgesellschaftlichen Einrichtungen eigentlich die nächsten Verwandten sind. Der Fokus hat sich verschoben. Das ist eine sehr gesunde Entwicklung, denn die meisten zivilgesellschaftlichen Organisationen leben in einem systemischen Prekariat; sie haben immer zu wenig Mittel für ihre Ziele. Da kann die Zusammenarbeit mit einer Stiftung eine wichtige und hilfreiche Sache sein. Viele Stiftungen sind da schon sehr gut unterwegs, viele sollten sich aber auch stärker auf den Weg machen.

transparenzbericht.com: Jede Menge zu tun also für Stiftungen. Was wünschen Sie sich für den MünchnerStiftungsFrühling?
Strachwitz: Ich würde mir wünschen, dass man den MünchnerStiftungsFrühling vielleicht noch ein wenig mehr in die Richtung des persönlichen Engagements entwickelt, denn München ist ja durch die im Zuge der in der Stadt ankommenden Flüchtlingsströme gezeigten Willkommenskultur bekannt für spontanes Engagement. Wir brauchen nicht immer mehr Stiftungen, sondern eher Unterstützung dabei, den Stiftungssektor modernisieren zu helfen. Und wenn wir das noch stärker betonen und noch mehr Brücken bauen, dann wird daraus das Entwicklungsfeld auch für den MünchnerStiftungsFrühling ersichtlich.

transparenzbericht.com: München hat schon einen Engagement-Bias, „Mia san Engagement“ könnte schon ein Slogan der Stadt sein. Ihr Blick auf die Dinge motiviert ungemein. Danke für aufschlussreiche Gespräch.

Hinweis: Mehr zur Maecenata Stiftung und ihren Programmen finden Sie unter www.maecenata.eu, unter anderem regelmäßige und sehr lesenswerte Veröffentlichungen zu zivilgesellschaftlichen Entwicklungen, die kostenlos heruntergeladen werden können.